Bunte Scherben

 

Liebe Marie,


gerade ging mir was durch den Kopf und durchfloss mich ganz und gar. Das möchte ich Dir jetzt schreiben:

Als Kinder sammelten wir immer bunte Scherben im Bach, der sich durch unser Dorf schlängelte. Stundenlang konnten wir darin durchwaten und immer den Blick bis auf den Grund, Ausschau haltend, ob uns ein buntes Scherblein entgegenblinkt, welches wir dann freudestrahlend aufhoben und in die Tasche steckten. In einem Säcklein bewahrte ich diese auf und wenn wir Hüpfekästchen spielten, benutzten wir sie.
Nicht nur zum Werfen in das Kästchen eigneten  sich diese bunten Scherben gut, nein auch zum aufzeichnen des Kästchens, doch es ging dafür auch ein grober Stein. Hauptsache er hatte eine scharfe Kante.

Doch es machte auch Spaß und sehr großen sogar, einfach dazusitzen und sich seine bunten Scherben, seine Schätze zu betrachten.
Bei den Erwachsenen habe ich oft gesehen, dass sie Scherben nicht so mögen. Erst zerschlagen sie etwas und dann wollen sie die Scherben nicht sehen und schmeißen sie weg und kaufen sich meist schleunigst was Neues, dass das Alte ersetzen soll. Dann schimpfen sie oft noch, dass sie ja nicht Schuld wären an den Scherben.

Nun ja, es waren Scherben, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte und wer weiß wie lange schon von kaputtem Zeug aus den verschiedensten Häusern hier in dem Bach gelandet sind und so waren es oft wunderschöne Scherben mit herrlichen Mustern und Verzierungen und mit ein bisschen Phantasie konnte man auch entdecken, was Schönes und Ganzes sie vielleicht mal gewesen waren. Ja, da stand man dann so bewundernd da und überlegte, wozu diese Scherbe wohl mal gehört haben mag, ob sie zu einem Teller, einer Tasse, einer Schüssel oder einem Krug gehörten. Vielleicht war es auch eine Tortenplatte.  Welch ein Wunder war es, wenn es sogar mal passierte, zwei Scherben zu finden, die eine da und die andere ein paar Meter entfernt dort und ich plötzlich feststellte, dass sie immer noch zusammen passen, wenn man sie aneinanderhielt, obwohl sie da vielleicht Jahre oder Jahrzehnte oder noch viel, viel, viel länger schon voneinander entfernt gelegen hatten und sich um eine jede viele andere Scherben tummelten mit denen sie sich vergnügten oder auch nicht vergnügten, weil vielleicht so ein Scherblein irgendwie spürte, dass trotz allem Schönen drum herum, selbst die lustigen kleinen Fischlein, die sie erfreuten, etwas fehlt, etwas, das sie nicht erklären konnte, doch tief in sich spürte.

Doch von denen, die sie da so umgaben und die auch alle nett waren, hätte natürlich keine gepasst, wenn man sie hätte zusammenfügen wollen. Sie hätten vielleicht auch zusammen so nebeneinander ganz nett ausgesehen und irgendwas zusammen machen können, das sich sehen lassen kann, doch ein größeres Ganzes hätte daraus nicht werden können, mit dem sie ihre Bestimmung lebt. Sie war nun mal der zerbrochene Teil einer Untertasse. Da kann man nicht einfach die Lücke an einem Krug füllen. Da wird immer ein Leck bleiben und wenn man das mit Kleber und Füllstoff auffüllen will, dann wird man nur zu einem entstelltem Teil und da kann man doch nicht wirklich froh bei sein. Ja, man wäre wieder nützlicher, doch einen Beitrag zur Ästhetik, Schönheit und Harmonie kommt da ja nun nicht gerade bei heraus.
Dann doch lieber Scherbe bleiben und die Kinder haben wenigstens ihre Freude an einem, auch wenn man dann die meiste Zeit seines Daseins im Säckchen verbringt und zweckentfremdet sein Dasein fristet. Doch das machen ja die meisten so, zweckentfremdet ihr Dasein fristen.
Ja, nur dieses eine Stück passte ideal zu einem anderen Teil mit dem man zerbrochen wurde und hätte man vielleicht nicht mal perfekter nachmachen können, selbst wenn man die Möglichkeiten und die Technik zur Nachahmung und Reparatur gehabt hätte und es gewollt hätte. Doch wer sollte schon daran interessiert sein, passende Scherben wieder zu einem heilen Ganzen zusammenzufügen oder zusammenführen wollen? Die meisten sind verrückt nach Scherben und wollen sie für irgendwas verwenden. Doch kaum jemand ist interessiert, dass  sich die Scherben wieder finden, die zerbrochen wurden.

Ja, Scherben haben auch so ihre Gedanken und Sehnsüchte und ich habe ihnen zugehört.
Doch ich freute mich, wenn ich zwei solche Scherben fand, was natürlich ausgesprochen selten geschah. Die Wahrscheinlichkeit war natürlich höher, wenn man die Scherben von etwas fand, das noch nicht vor allzu langer Zeit zerbrochen wurde. Da konnte es eher passieren, dass man sofort erkannte, dass da Scherben liegen, die sicher vor kurzer Zeit noch ein Ganzes bildeten und die eben zusammen gehörten. Doch bei so alten Scherben ist das sehr selten, dass man diese noch findet und etwas wieder zusammenfügen kann. Je länger sie als einzelne Scherben so irgendwo gelandet sind und sie sich mit anderen vergnügten, ja desto mehr wirkten eben die Einflüsse von außen und haben sie in die verschiedensten Richtungen getrieben. Es kann auch sein, dass sie anfangs noch einander die Nähe hatten, doch der Wasserverlauf plötzlich nur einen weiter trieb und die andere lag hinter einem Stein verborgen und blieb da und verbrachte die Zeit mit allem Möglichen, was gerade so vorbeigeflossen kam. Vielleicht wurden auch beide weiter getrieben, doch plötzlich waren da auf einmal noch viele andere Scherben und sie verloren sich in der Menge, weil sie eben kein Ganzes mehr waren, womit sie auch geschützt vor der Menge, in der sie untergehen und sich verirren konnten gewesen wären, komme was wolle und nicht hätten voneinander getrennt werden können, weil sie eben ganz waren und damit auch viel nützlicher als eine einzelne Scherbe.
Doch vielleicht fanden sie es auch irgendwann nicht mehr so schlimm, einzelne Scherbe zu sein, weil sie es einfach auch vergessen hatten, dass sie einst etwas Größeres waren und als Ganzes harmonisch in ein Geschehen eingebettet waren, wo sie sich zu Hause fühlten.
Naja und als einzelne Scherbe machten sie eben Erfahrungen, die sie ansonsten nicht gemacht hätten, wie z.B. Kindern Freude machen beim Betrachten und Hüpfekästchen spielen und auch dass die Kinder bemerkten, was Erwachsene nicht mehr merken wollen, dass sie doch die Zerbrecher waren und erschrocken darüber, immer es gleich mit was Neuem zu ersetzen, um die Lücke nicht zu spüren.
Naja und als Krug oder Teller haben sie diese Beachtung oft gar nicht bekommen. Da hat mehr interessiert, was drinnen oder auf dem Teller ist. Ja, vielleicht wollte die Untertasse zu Bruch gehen, weil sie als Untertasse keine Beachtung fand, sondern sich nur als Gebrauchsgegenstand fühlte und nützlich zu sein hatte und dazu lieblos behandelt wurde. Als Scherbe dann bei einem kleinen Kind zu landen war da doch mal was ganz anderes. Kinder leben im Hier und Jetzt und sind nicht in selbstauferlegten Verpflichtungen verstrickt, mit denen sich Erwachsene ein Gefängnis bauen und damit nicht mehr im Freien sein können.

Ja, die Scherbe dachte manchmal schon darüber nach, wie schön es wäre, doch mit ihren fehlenden Teilen verbunden zu sein, mit denen, die perfekt passen, um ihre wahre Aufgabe zu leben und zu erfüllen, die sie letztendlich auch erfüllt.
Ja, die Scherbe war müde, nur Scherbe zu sein. Man sah es an ihrem Strahlen, als ich sie mit ihrem fehlenden Teil zusammenfügte und sie sich sogleich vollständiger fühlte.
Es war eine Scherbe, die das Glück hatte, nicht vollständig zersplittert gewesen zu sein und als sie noch Untertasse war, nur in der Mitte zu Bruch ging. Nach so langer Zeit, sich wieder ganz zu fühlen, war ein erhabenes Gefühl für die Untertasse und es war ihr jetzt auch egal, ob sie beachtet wird oder nicht, denn sie fühlte sich wahrlich ganz und war sich dessen bewusst, dass sie mit allen Teilen verbunden war, die zu ihr gehörten und ein ganzes Teil war und perfekt, so wie sie war.
Sie freute sich darauf, wieder als Untertasse für eine Tasse da zu sein und wenn sie nur im Schrank steht, ist auch egal, denn was immer ist, sie ist ganz und das weiß sie, seitdem sie einmal Scherbe war.
Selbst wenn sie morgen in Abertausende Teile zerschmettert wird, sie weiß, dass sie ganz bleibt und nichts mehr verloren geht, was sie ganz sein lässt, denn die Erfahrung hat sie das erkennen lassen.

 

Herzliche Grüße an Dich
Malina

 


 

 

Bunte Scherben

 

Träumend wate ich
Durch den Bach,
Bleibe steh'n
Und gebe acht.

 

Den Blick im Wasser
Bis auf den Grund,
Freue mich
Über jeden Fund.

 

Bunte Scherben sammeln
Macht Spaß.
Beim Anblick dieser
Ich alles vergaß.

Jede Scherbe
Eine Geschichte doch hat.
Was war sie
Und wann und wo?


War sie bei Menschen,
Die traurig waren oder froh?

War sie Tasse, Teller oder Kanne?
Wurde sie zerschlagen
Von einer Mutter, einem Kinde
Oder einem Manne?

 

Was geschah mit dem Rest?
Liegt doch so vieles darin,
Was einen träumen lässt.

 

 

 


„Das wahre Paar ist eigentlich gar kein Paar mehr, denn es sind nicht mehr zwei. Kann man es noch „Paar“ nennen? Das wahre Paar ist eine Einheit, ein neues Wesen mit zwei Herzen und zwei Körpern, aber nur einer Seele.“ S.174

 

Osho
„Mann und Frau“, ARKANA Verlag

„Mann und Frau zusammen, wenn sie positiv eingestellt sind, bilden ein Ganzes. Und das wahre Paar – und davon gibt es nur sehr wenige – ist dasjenige, das sich auf positive Weise miteinander verbindet.“ S.48

 

Osho
„Mann und Frau“, ARKANA Verlag

„Wenn beide zusammen sind, ergänzen sie sich gegenseitig. Keiner steht höher als der andere. Wenn sich zwei Seiten ergänzen, ist keine von beiden besser oder schlechter als die andere; beide sind gleichwertig.“ S.56


Osho
„Mann und Frau“, ARKANA Verlag

"Was passiert, wenn eine Blume tief im Wald erblüht, und es ist keiner da,
der sie bewundert, keiner, der ihren Duft wahrnimmt, keiner, der eine Bemerkung macht und sagt:
"Wie schön!", keiner mit dem sie ihre Schönheit und ihre Freude teilen kann und der sich daran erfreut....
Was passiert mit dieser Blumen? Stirbt sie? Gerät sie in Panik? Begeht sie Selbstmord? - Sie blüht weiter,
sie blüht ganz einfach weiter. Es macht keinen Unterschied, ob jemand vorbei kommt oder nicht: es ist unwichtig. Sie wird weiterhin ihren Duft an die Winde verströmen und ihre Freude Gott darbieten, dem Ganzen."

 

Osho
„Mann und Frau“, ARKANA Verlag

„Nur wenn du mit einer bestimmten Frau, einem bestimmten Mann, eine wunderbare, musikalische Harmonie erlebst, wenn etwas Überirdisches euch erfüllt, nur dann laßt euch miteinander nieder.“S.85

Osho
„Mann und Frau, ARKANA Verlag

„Intimität mit einer einzigen Frau, einem einzigen Mann, ist besser als viele oberflächliche Beziehungen. Die Liebe ist keine Eintagsblume – sie braucht Jahre, um zu wachsen. Und nur wenn sie wächst, geht sie über die Biologie hinaus und gewinnt allmählich eine spirituelle Dimension. Wenn du mit vielen Frauen, mit vielen Männern zusammen bist, bleibst du nur an der Oberfläche. Das mag eine nette Unterhaltung sein, aber oberflächlich, sicherlich ein guter Zeitvertreib, doch dieser Zeitvertreib verhilft dir nicht zu innerem Wachstum.“ S.90 


Osho
„Mann und Frau“, ARKANA Verlag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  zurück