Bedingungslosigkeit schafft Liebe

 

Liebe Roswitha,

zu Deiner Liebe zu Johannes möchte ich auch noch etwas an Dich schreiben.
Das ist wunderschön, was Du mir mitteilst! Das zeigt deine Fähigkeit, auf der Seelenebene bewusst wahrzunehmen. Einen "fremden", alten und demenzkranken Menschen lieben und dabei dieses Glück zu empfinden, indem Du Dich in Seligkeit gebadet fühlst, ist wahrlich Liebe. Vorbehaltlos hast Du ihm dein Herz geschenkt und er spürt das, weil Seelen alles spüren. Nichts bleibt ihnen verborgen. So hast Du ihn glücklich gemacht und diese Liebe, die Du ihm geschenkt hast, fließt logischerweise zu Dir zurück.
Da, wo wir vorbehaltlos unser Herz offen lassen, da fließt auch die Liebe und wer es auch nur bei einem Menschen kann in der höchsten Form, es bei einem Menschen wahrlich erfahren hat, ist trotzdem zu einem Liebenden geworden, dessen Liebe keine anderen Menschen mehr ausschließt. Wir sind im Zustand von Liebe, sind in einer Dimension, wo es nur Liebe gibt. Nichts ist mehr, das aus- oder abgegrenzt wird, denn Liebe ist halt- und grenzenlos in ihrem Fluss.
Selbst Menschen, von denen wir uns irgendwann verletzt fühlten, schließt diese Liebe nicht aus, denn in dieser Dimension, gibt es
keinen "Staub von gestern" und die Hoffnung auf ein besseres Morgen ist auch verschwunden. Alle Bilder, die wir täglich und auch noch des Nachts mit uns herumschleppen, sind im Zustand von Liebe zu einem einzigen Bild geworden, zu einem Bild, das nicht greifbar ist, nicht einmal sichtbar und erklärbar. Da ist kein Raum mehr, in dem etwas erfüllt werden muss und kein Drang mehr, etwas zu tun und doch geschieht unermesslich viel und das in höchster Vollkommenheit.

Mit Johannes hast Du es erfahren, mit einem Menschen, der in dieser Dimension genauso lebendig, wach und aufmerksam ist wie Du, auch wenn er aufgrund der Demenz nicht mal mehr Messer und Gabel führen kann, unbeholfen und unfähig ist, einfache Aufgaben zu verrichten und sich scheinbar an nichts mehr erinnern kann, was eine Stunde zuvor geschehen war und unfähig ist, alleine auf die Toilette zu gehen.
Der Liebe hat das nicht gestört. Der Gleichklang eurer Seelen hat sich offenbart durch die Offenheit eurer Herzen und ihn beschenkt mit Augenblicken, wo er Dir seine Liebe und Dankbarkeit bewusst zum Ausdruck bringen kann.
Alles scheint so einfach und doch scheint uns da immer mal wieder jemand ein Schnippchen zu schlagen, dass Dinge geschehen und der Liebesfluss damit unterbrochen wird und wir uns ratlos einer Situation gegenüber fühlen. In dieser Irritation geht die Suche nach Liebe los.
Wir beginnen zu suchen und dem zu fliehen, was den  Liebesfluss scheinbar unterbrochen hat. Doch gerade da lauert die Liebe am stärksten und wartet, dass wir das umarmen, in unser Herz schließen, was in uns Schmerz auslöste.
Wenn es den Menschen gelingen könnte, ein offenes Herz für den Partner in der Partnerschaft zu bewahren, egal was für vergangene Narben sich durch die fließende Liebe in ihm offenbaren und aufzureißen drohen, Wunden, die komplett geheilt sein wollen, ohne aufkommende Leiden auf den Partner zu projizieren, dann brauchte es keine schmerzlichen Trennungen mehr zu geben. Immer wieder würde sich alles schmerzlos zum Besten harmonisch gestalten und Wachstum und Reife wären damit verbunden. Statt sich mehr und mehr voneinander zu entfernen, wachsen sie Schritt für Schritt tiefer und inniger zu einer harmonischen Einheit zusammen.
Ihren Wurzeln verweben sich mehr und mehr und irgendwann sagt keiner mehr, das ist dir und das mir entsprungen, weil sie ihre gemeinsamen Wurzeln erkannt haben, diese zu einem starken Geflecht geworden sind.
Bei Johannes konntest Du Dich vollkommen öffnen. Du hattest Null Erwartungen an ihm und Du wusstest, ein Kranker kann Dich nicht verletzen. Du hast keinen Augenblick gespürt, dass er in irgendeiner Form in der überlegeneren Position sein könnte. Keine negative Erfahrung lag irgendwo im Hintergrund und damit keine Angst. Du hast Dich jeden Augenblick sicher, frei und unangreifbar gefühlt. Damit hast Du ihn auch in keiner Form angegriffen. Du warst bei ihm vollkommen frei von Zwängen.
Deine Arbeit mit den alten Menschen liebst Du und stehst den Menschen wertfrei gegenüber. Sie spüren Deine Achtung, die Du vor ihnen hast, auch wenn sie heute kranke Körper haben. Doch Dir ist bewusst, dass sie im Leben viel Großartiges geleistet haben, Menschen sind, die vielleicht zum Teil die gleiche Arbeit gemacht haben, die Du heute machst, Menschen, die für andere Menschen da waren, Menschen, die gedient haben.
Du brauchst die Hilfebedürftigen nicht, um Dich aufzuwerten und dieser Gleichklang zwischen Geben und Nehmen bringt Liebe hervor, lässt Liebe fließen, bereichert jeden, der dabei ist.
Dinge vergehen, Körper zerfallen, die Jahreszeiten wechseln. Alles Unbeständige geht dahin, ist flüchtig. Doch das Beständige lebt und währt ewig und das ist das Fließende. Wenn wir fließen, nehmen wir auch in anderen das Fließende, das Beständige und Lebendige wahr.
Sind wir starr und fest, nehmen wir auch in Dingen und anderen Wesen nur das Starre und Feste wahr, was immer das bereits Tote ist. Dann fühlen wir uns auch tot und leer, unlebendig und nichtliebend. Doch im Fluss sprudeln wir vor Lebendigkeit und Liebe und alles um uns herum unterliegt den gleichen Gesetzen wie wir. Alles um uns spiegelt uns diese Lebendigkeit und Frische wieder. Das Neue ist immer da. Wir erleben uns neu und frisch und es gibt auch nichts um uns, das alt ist und dem gestern gleicht.
Ja, es gibt auch das Lebendige in der Nichtliebe, doch das ist das, was ein Eigenleben, abgekapselt vom Ganzen beginnt und viel Disharmonie mit dem Ganzen stiftet. Es ist, wie ein Krebs-geschwür, das auch lebt, doch auf Kosten von Harmonie und sich wohl fühlen.
Diese Liebe, die Du in Dir mit Johannes erfahren hast und erfährst, bewahre in deinem Herzen und sei Dir bewusst, warum Du sie so erfahren konntest.
Der schönste Seelengleichklang kann gestört werden und wir können, trotz dieser Liebe unglücklich werden und wollen mit dem Partner vielleicht nicht mehr leben, wenn wir unser Herz für ihn nicht mehr offen haben und nicht mehr die leisen Töne hören, die unserem Herzen entspringen und damit auch nicht mehr die Musik, die aus zwei liebenden Herzen spielt.
Osho sagte mal, dass Partnerschaft höchstes Yoga ist. Das denke ich auch.

Es ist eine Kunst, wenn Mann und Frau so miteinander leben und lieben, dass sie sich nie genug werden, weil sie sich als ein Wesen begreifen, das in der Zusammengehörigkeit vollständig ist und etwas hervorbringen kann, das als Einzelwesen nicht möglich ist.
Heute leben wir fast in einer Singlewelt, wo jeder viele Freunde hat. Bei facebook haben manche sogar Tausende. Zerfasert, ohne Wurzeln verirren sich mehr und mehr Menschen in einem Bild, das die Gesellschaft vorgibt.
Die Esoterikwelle hat nicht nur viel Gutes hervorgebracht, sondern auch viele einsame Menschen.
Doch das ist schon wieder ein neues Thema.

 

Von Herzen
Ute Malina

 

PS: Ich habe Dir hier den Namen Roswitha gegeben, weil er mir gefällt. Er enthält die Worte Rose und  Vita (Leben).

Die Rose gilt als die Königin der Blumen.
Sei Du, die Königin deines Lebens.


 

 

"Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin,
Schafft Erd und Himmel wieder
Göttlich, wie im Anbeginn."

 

Friedrich Hölderlin
aus
"Lied der Liebe"

 

 

 

 

 

 

 "Liebe ist die Begleiterscheinung eines wachsenden Bewusstseins. Sie ist wie der Duft einer Blume. Suche sie nicht in den Wurzeln, denn dort ist sie nicht. Deine Biologie, das sind deine Wurzeln, und dein Bewusstsein, das ist deine Blüte."

 

Osho
aus "Das buch von Ego"
innenwelt-verlag

 

 

"Liebe ist nicht etwas, was man tut. Liebe ist, was man ist."S.29

 

Malcolm S. Southwood
aus "Wie Liebe heilen kann"

 

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